Ich bin verboten by Markovits Anouk

Ich bin verboten by Markovits Anouk

Autor:Markovits, Anouk [Anouk, Markovits,]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2013-10-31T00:00:00+00:00


BUCH III

Williamsburg, Brooklyn

Die Hochzeitsfeierlichkeiten dauerten sieben Tage, danach stiegen die beiden Frischvermählten in ein Flugzeug nach New York. Ein Studiengefährte Josefs holte sie vom Flughafen ab. Er erzählte, was sich während Josefs Aufenthalt in Paris am Hof des Rebbe getan hatte und welche Jeschiwafreunde Vater geworden waren. Mila glaubte, Namen aus ihrer Kindheit in Siebenbürgen herauszuhören; Namen von Kindern, die in die Viehwaggons gestiegen waren. Jetzt gingen sie auf Neugeborene über. Vor den Autofenstern glitten Straßenbilder vorbei, wie Mila sie bisher noch nie gesehen hatte: Statt der durchgehenden Fassaden in französischen Städten standen die Häuser hier frei, waren aber nur durch schmale Lücken voneinander getrennt. Draußen lärmte der Verkehr und wurde mit zunehmender Häuserhöhe noch lauter. Im Auto aber hörte sie die vertrauten Namen.

Drahtseilbögen, zwischen denen sich eine Brücke spannte, eine scharfe Kurve, und plötzlich sah sie jiddische und hebräische Schilder: Yetev-Lev-Jungenschule, 100% Wolle … »Koscher!«, schien hier alles laut zu schreien, worauf in Paris höchstens diskret hingewiesen wurde. In Williamsburg hatten Juden keine Angst, sich offen als Juden zu zeigen; sie bauten eine Welt neu auf, die es nie gegeben hatte.

Da sie ihren ersten Sabbat in der eigenen Wohnung unbedingt allein verbringen wollten, lehnten Mila und Josef alle Einladungen ab. Mila brütete über den Rezepten, die Hannah ihr diktiert hatte; Josef schälte Karotten und Pastinaken für die Hühnersuppe. Als der Geruch der Sabbatspeisen durch die winzige Wohnung zog, schauten sich Mila und Josef glücklich an – ein Zuhause, ihr Zuhause.

Sie badeten und zogen Sabbatkleidung an. Mila trug ein von Hannah mit Goldfaden besticktes weißes Kopftuch, Josef den Pelzstreimel, den Zalman ihm zur Hochzeit geschenkt hatte. Achtzehn Minuten vor Sonnenuntergang kreisten Milas Hände um die Sabbatkerzen, erst nach außen, dann nach innen – gedenke und halte. Mit geschlossenen Augen flüsterte sie das uralte Gebet: Mögen diese Lichter mich im Glauben festigen, wie sie so viele vor mir gefestigt haben … Mila spürte Finger, die sich um ihre schlossen, sah eine ganze Kette von Händen, die Kerzen anzündeten und sich aus der Tiefe der Vergangenheit bis in die Zukunft erstreckten. Als sie die Augen wieder öffnete, schimmerte das Gewebe von Josefs Kaftan wie Laub nach dem Regen.

Josef schaute ins Kerzenlicht, das sich in der goldenen Borte von Milas Kopftuch spiegelte, und erlaubte sich die Erinnerung an seine erste Mutter, an ihre Umarmungen und Küsse. »Gut Schabbes, klejner Jiddele!« Dieses Mal brach ihm die Erinnerung nicht das Herz.

In ihrem Buch der Tage zählte Mila fünf Tage Blutung und sieben reine Tage. An den sieben reinen Tagen trug sie weiße Unterwäsche und schlief auf weißen Laken. Morgens und abends führte sie wie vorgeschrieben ein weißes Stoffstück in sich ein, holte es zurück und untersuchte es. Fand sie nur einen roten Punkt, musste sie den Stoff oder die betreffende Unterwäsche mit der Stunde und dem Tag der Zählung auszeichnen: Ein blutroter Fleck war nicht mit blassrot oder braun zu verwechseln; nur ein Rabbi konnte feststellen, ob der Farbton eine noch längere Absonderung nötig machte.

Mila hielt die Vorschriften zur Familienreinheit sehr gewissenhaft ein. Sie sollten



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